Kinderkreuzzug? Das ist doch Mittelalter!

Plakat "Kinderkreuzzug? Das ist doch Mittelalter!"

Nun, es war im Jahr 1212, als sich fast gleichzeitig in Frankreich und in Deutschland Massen von Kindern und Jugendlichen aufmachten, um über die Alpen nach Italien und bis nach Jerusalem zu wandern. Ohne Waffen, allein durch ihre Unschuld und ihren Glauben wollten sie die Mohammedaner vertreiben und der Christenheit das heilige Grab zurückerobern.

Die Züge wurden angeführt von zwei Hirtenknaben, fast Kinder noch: Stephan in Frankreich und Nikolaus aus der Gegend um Köln. Beide hatten von Christus ihren Auftrag erhalten, und es war ihnen prophezeit worden, das Meer werde sich vor ihrem Kinderheer teilen wie vor Moses und den Kindern Israel. Tausende und Abertausende folgten ihnen, begleitet von einem Tross von Mönchen, Gauklern, leichten Mädchen und vogelfreien Halunken.

Dass ihr „Jerusalem“ im Nimmerleinsland lag, dass ihnen nicht Milch und Honig, sondern nur Hunger und Durst beschert wurden, wollten sie nicht wahrhaben. Fanatisch von ihrem Ziel besessen folgten sie ihrem kleinen Agitator, und als die Illusionen platzten, war es für die meisten zu spät. Krankheit, Kälte, Entbehrung hatten längst zugebissen, Tod und Sklaverei waren das Ende vom Lied. Wer viel Glück hatte, fand Unterschlupf in einer Stadt oder schlug sich kleinlaut und verspottet wieder bis nach Hause durch.

Und was haben wir damit zu tun? Das liegt doch so lange zurück...!

Es liegt, mit Verlaub, nicht länger zurück als jeder Krieg und jede Aktion, die sich hinterher als Wahn und tödlicher Unfug herausstellt. Da sind wir schnell dabei den Kopf zu schütteln und zu behaupten: „Bei so was hätte ich ja nicht mitgemacht“ und „Bei uns kann das aber nicht vorkommen.“ Aha. Und woher kommt der Wahn, der heute die Welt durchzieht?

Der Menschen wie dich und mich in seinen Bann schlägt? Jugendliche Selbstmordattentäter? Kinder in Waffen? Oder, näher bei uns, religiöse, politische, paramilitärische Sekten? Wissen wir selber, wie anfällig wir sind, wenn man uns aus dem Elend, das uns bedroht, mit wundersamen Versprechungen ins Abenteuer lockt?

Wie viele rennen nicht Superstars, Gurus und Agitatoren, minderen und falschen Propheten nach, begeistern sich bis zum Durchdrehen und Selbstvergessen und identifizieren sich mit etwas, „wofür man sich opfern kann“. Darum geht es in diesem Stück, ganz spielerisch. Und wenn man die Situationen nacherlebt, die zum „Kinderkreuzzug“ gehörten, dann merkt man rasch, wie real und nah dieser „mittelalterliche“ Wahn uns ist.